Die Spanische Grippe von 1918 - Lange her, aber jederzeit wieder möglich

Bild eines Virus in grün gehalten, im Hintergrund mehrere weitere Virenqimonopixabay.com/de/virus-mikroskop-infektion-krankheit-1812092CC0

Als 1918 die ersten Krankheitsfälle auftraten, ahnten wohl nur die Wenigsten, dass es sich hierbei um den Beginn von einer der größten Pandemien der Weltgeschichte handeln würde. Vor allem hatten die Menschen am Ende des 1. Weltkrieges (noch) andere Sorgen. Letztendlich forderte die Pandemie, die den Namen Spanische Grippe trug, mehr Menschenleben als der 1. Weltkrieg. Und das Beunruhigende dabei ist: so eine Pandemie kann jederzeit wieder auftreten.

Die Bezeichnung

Dass die Spanische Grippe den Bezug zu Spanien im Namen trägt, ist in gewisser Weise dem Krieg geschuldet. Denn wie später noch erläutert wird, entstand die Grippe nicht, wie man bei der Betrachtung des Namens vermuten könnte, in Spanien. Spanien war nur jenes Land, in dem, da es neutral war, die Berichte über die zahlreichen Erkrankungen und Todesfälle nicht der Zensur zum Opfer fielen. Somit entstand der Eindruck, als sei in Spanien die Quelle für den Ausbruch zu finden, was aber nicht stimmt. Die anderen Länder hatten nur die entsprechenden Informationen zurückgehalten.

Der Ursprung

Nach derzeitigem Forschungsstand dürfte die Grippeepidemie ihren tatsächlichen Ursprung im März 1918 im US-Bundesstaat Kansas - vermutlich in Haskell County haben. Zumindest stammen von dort viele Berichte über Grippeerkrankungen, deren Symptome jenen der Spanischen Grippe entsprechen.

Der Verlauf

Insgesamt kann man bei der Spanischen Grippe von 3 Wellen sprechen, in denen sie sich verbreitete:

  • 1. Welle: Die 1. Welle hatte wie bereits erwähnt vermutlich in Kansas ihren Ursprung, wo sich die Spanische Grippe rasch ausbreitete und unter anderem auch das Ausbildungslager Camp Funston, das zur Militärbasis Fort Riley gehörte, erreichte. Im Zuge von Truppentransporten gelangte die Grippe zuerst nach Frankreich (April 1918), von wo aus sie sich dann über ganz Europa ausbreitete. Ab Juni 1918 hatte sie auch andere Teile der Erde erreicht, wie etwa Indien, China, Neuseeland oder die Philippinen. Die Grippe der 1. Welle wird so beschrieben, dass sie zwar heftig war und mit hohem Fieber und starken Kopf- bzw. Gliederschmerzen einherging, die Krankheitsdauer jedoch kurz war und die meisten Betroffenen nach wenigen Tagen wieder genesen waren. Dies sollte sich jedoch noch ändern.
  • 2. Welle: Ab August 1918 wandelte sich nämlich der Krankheitsverlauf, denn sehr viele Patienten entwickelten jetzt zusätzlich eine Lungenentzündung, die in der Regel von starken Blutungen begleitet wurde. Dies hatte zur Folge, dass die Grippe nun zahlreiche Menschenleben forderte. Diese neue Welle trat fast zeitgleich an 3 verschiedenen Orten auf - Boston (USA), Brest (Frankreich) und Freetown (Sierra Leone), von wo aus sie sich wieder weltweit verbreitete.
  • 3. Welle: Die Bezeichnung 3. Welle ist etwas problematisch, denn in der 3. Welle sind eigentlich alle Ausläufer der Spanischen Grippe zusammengefasst, die nach der 2. Welle in unterschiedlichen Regionen der Welt zu unterschiedlichen Zeiten auftraten. Diese Ausläufer waren wieder wesentlich schwächer als es die Grippe der 2. Welle war und sie zogen sich bis in die 1920er Jahre hinein.

Die Krankheit

Die Spanischen Grippe dürfte auf eine Form der Vogelgrippe zurückgehen (H1N1), die dann im Menschen mit einem menschlichen Grippevirus kombinierte und einen neuartigen Virus erzeugte, dem das Immunsystem vieler Menschen nichts entgegensetzen konnte. Ungeklärt ist auch die Rolle des Hämagglutinins. Untersuchungen an Mäusen mit künstlich hergestellten Viren, die anhand der bekannten Erbgutsequenzen dem Virus der Spanischen Grippe entsprechend hergestellt wurden, zeigten nämlich, dass der Einbau des Hämagglutinins das Virus viel aggressiver macht und es sich dann viel rascher in der Lunge der Mäuse vermehrt. Insgesamt dürfte eine Kombination von mehreren Faktoren dazu geführt haben, dass die Spanische Grippe, v.a. in der Version der 2. Welle, letztendlich eine für eine Grippe sehr hohe Todesrate aufzuweisen hatte (vermutlich höher als 2,5 % während bei einer  üblichen Grippe ein Wert unter 0,1 % normal wäre) .

Die Maßnahmen

Die Mediziner_innen der damaligen Zeit hatten der Spanischen Grippe nicht viel entgegenzusetzen. Antibiotika waren noch nicht verfügbar und so verabreichte man eben jene Mittel, die bekannt waren, vor allem Aspirin. Diese konnten die Symptome teilweise lindern, aber wie im Falle von Aspirin bei zu hoher Dosierung bei Menschen, die ohnehin schon an inneren Blutungen litten, auch kontraproduktiv wirken. Eigentlich konnte man nur die Patient_innen unter Quarantäne stellen, versuchen die Symptome zu lindern und hoffen, dass sie wieder genesen.

Das Ende

Das Ende der Spanischen Grippe verlief so, wie es für eine Grippe klassisch ist. Zu Beginn des Jahres 1919 hatten die meisten Menschen entweder die Spanische Grippe überlebt, waren dieser erlegen oder einfach immun gegen sie. Es gab zwar noch einige kleinere Wellen, in denen die Grippe wiederkehrte, aber sie verlief in diesen Fällen wieder harmloser, als es bei der 2. Welle der Fall gewesen war. Man kann somit sagen, dass die Gefahr der Spanischen Grippe zu Beginn des Jahres 1919 wohl weitestgehend gebannt war, wobei es immer noch punktuell zu einem kurzen Aufflackern der Spanischen Grippe kam.

Die Bilanz

Wie viele Menschen letztendlich der Spanischen Grippe zum Opfer fielen, ist nur schwer quantifizierbar, nicht zuletzt aufgrund des Krieges, der in vielen Ländern herrschte. Die Angaben, die man in der Literatur findet, decken demnach einen weiten Bereich ab: die Zahlen liegen zwischen 20 und 100 Millionen.

Statistische Auffälligkeit

Üblicherweise sind bei einer Grippe vor allem junge und ältere Menschen betroffen. Nicht so bei der Spanischen Grippe. Bei dieser verstarben vor allem Personen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Und 99 % der Toten waren jünger als 65 Jahre. Es ist allerdings nicht ganz klar, warum dies so war. Ein möglicher Erklärungsansatz geht davon aus, dass es bereits früher ein Virus gegeben haben muss (vor 1889), das die damals lebende Bevölkerung immunisiert hat, weshalb ältere Personen dann 1918 von der Spanischen Grippe nicht mehr so betroffen waren. Allerdings müsste dieses Virus nach 30 Jahren Abwesenheit plötzlich wieder aufgetaucht sein. Ein anderer Ansatz geht davon aus, dass der Angriff auf das Lungengewebe, durch den sich vor allem die 2. Welle auszeichnete, vor allem bei jenen Personen besonders wirkungsvoll ist, deren Immunsystem sehr aktiv ist, was eben genau bei der Bevölkerungsgruppe zwischen 20 und 40 Jahren der Fall ist.

Die Kritik

So wie überall gibt es aber auch hier Kritiker_innen - vor allem in den sozialen Medien, die im Umgang der Forschung mit der Spanischen Grippe einen Versuch sehen, die eigentlichen Ursachen zu vertuschen. Laut ihnen handelt es sich bei der Spanischen Grippe eigentlich um ein Impfdesaster. So seien nur Personen betroffen gewesen, die im Vorfeld entsprechende Impfungen erhalten hätten. Dies würde laut ihnen ebenso erklären, warum gerade die 2. Welle zeitgleich an mehreren Orten ausgebrochen sei. Denn wenn es sich um eine Impfreaktion handelt, ist keine Übertragung notwendig und somit gibt es auch keine Zeitversetzung beim Ausbruch der Krankheit. Bleibt noch die Frage, warum die behandelnden Ärzte diesen Zusammenhang nicht schon selbst hergestellt haben. Die Antwort der Kritiker darauf: Die Ärzte wollten nicht offenbaren, dass die von ihnen empfohlenen und verabreichten Impfungen so gravierende Auswirkungen hatten.

Aber war es zur damaligen Zeit überhaupt möglich, einen entsprechenden Impfstoff zu entwickeln? Hier ist der Stand der Forschung, dass es nur möglich war, einen Bakterienimpfstoff gegen Sekundärinfektionen, die im Zusammenhang mit der Spanischen Grippe auftraten, zu entwickeln - aber keinen Impfstoff gegen die Spanische Grippe selbst.

Mehr Informationen zu dieser Kritik finden sie beim Faktencheck-Verein mimikama, sowie dem Recherchezentrum Correctiv, die sich beide ausführlich mit dieser Kritik befasst haben und dabei zum Schluss kamen, dass die Behauptung, bei der Spanischen Grippe habe es sich um ein Impfdesaster gehandelt, falsch ist.

Die Lehren für die Zukunft

Idealerweise sollte man aus solchen massiven Krankheitswellen Lehren für die Zukunft ziehen. In diesem Fall wäre das wohl die Erkenntnis, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis wieder eine Kombination verschiedener Komponenten zu einer größeren Pandemie führt. Mit Glück hat man dann ein passendes Heilmittel oder muss sich wieder wie im Fall der Spanischen Grippe damit begnügen die Symptome zu mildern. Und wie bei der Spanischen Grippe oder etwa auch bei Ebola, wird es wohl wieder Menschen geben, die von der Krankheit nicht betroffen sein werden, da sie aus welchen Gründen auch immer immunisiert sind. Was kann man also generell machen um das Krankheitsrisiko zu minimieren? Durch hygienische Maßnahmen Sorge dafür tragen, dass sich Viren nicht leicht ausbreiten können und wenn es wieder einmal zu einem entsprechenden Krankheitsausbruch kommen sollte, hoffen, dass Quarantänemaßnahmen rechtzeitig und in ausreichendem Maße getroffen werden, um eine weite Verbreitung zu unterbinden. Aber verhindern lassen wird sich eine neue Pandemie wohl nicht lassen, weil auch niemand vorhersagen kann, aus welcher Richtung die Gefahr droht. Höchstwahrscheinlich aber wohl aus einer Richtung, mit der heute noch niemand rechnet.

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