Benachteiligung von Mädchen und Frauen in der digitalen Gesellschaft und in MINT-Berufen in Österreich

Auch am Arbeitsmarkt setzt sich die Kluft fort und führt zu Nachteilen für Frauen. Während Männer mit MINT-Qualifikation meist im technischen Bereich verbleiben, verlassen viele Frauen diesen Sektor nach der Ausbildung. Nur 28 % der Frauen mit MINT-Abschluss arbeiten nach ihrem Berufseinstieg tatsächlich in einem MINT-Feld, verglichen mit 57 % der Männer. Dieses Phänomen wird als “Drehtüreffekt” bezeichnet, da Frauen männertypische Berufsbereiche häufig nach kurzer Zeit wieder verlassen. Die Konsequenz ist eine anhaltende geschlechtsspezifische Segregation: Nahezu 60 % der erwerbstätigen Frauen in Österreich arbeiten in frauendominierten Berufen, während ebenso rund 60 % der Männer in männerdominierten Berufen tätig sind. Diese Ungleichverteilung trägt auch zu weiteren Benachteiligungen bei, etwa Einkommensdifferenzen und geringeren Aufstiegschancen in weiblich geprägten Berufsfeldern. Insgesamt wird deutlich, dass Frauen in der technikgetriebenen Zukunft Österreichs bisher nicht im gleichen Ausmaß partizipieren wie Männer – was angesichts der fortschreitenden Digitalisierung problematisch ist. So warnen Expert:innen, dass im Zeitalter der vierten industriellen Revolution Frauen derzeit weniger als zwei Drittel der ökonomischen Macht von Männern besitzen und ohne eine Reduktion des MINT-Gender-Gaps die Kluft noch größer zu werden droht.
Ursachen der Benachteiligung: Geschlechterstereotype und Bildungsbarrieren
Die geringe Präsenz von Frauen in MINT-Berufen beginnt schon in der Kindheit. Bereits Vorschulkinder zeigen geschlechtsspezifische Berufswünsche: Mädchen bevorzugen soziale Berufe, während Burschen eher technische oder handwerkliche Berufe wählen. Diese frühen Geschlechterstereotype beeinflussen die gesamte Bildungslaufbahn.
Eltern und Lehrkräfte trauen Burschen in Naturwissenschaften oft mehr zu als Mädchen und bieten ihnen häufiger Lerngelegenheiten in diesem Bereich. In der Schule werden Mädchen seltener für technische Themen ermutigt, was ihr Interesse und Selbstvertrauen mindert. Pädagog:innen sind oft nicht ausreichend darauf vorbereitet, MINT-Inhalte gendersensibel zu vermitteln, und es fehlt an praktischen Erfahrungen für Mädchen.
Soziale Einflüsse spielen ebenfalls eine große Rolle. Freundeskreis und gesellschaftliche Vorbilder prägen die Berufswahl, und traditionelle Rollenbilder senken die Wahrscheinlichkeit, dass Mädchen sich für MINT-Berufe entscheiden. Auch die Berufsorientierung in Schulen bietet oft zu wenig spezifische Informationen über technische Karrieren für Mädchen. Das führt dazu, dass viele im Laufe der Schulzeit ihr Interesse an Naturwissenschaften verlieren und ihre eigenen Fähigkeiten unterschätzen – selbst wenn ihre Leistungen mit denen der Burschen vergleichbar sind. Die Entscheidung gegen MINT liegt oft nicht an mangelnder Begabung, sondern an fehlender Ermutigung und sozialen Erwartungen.
Fehlende Vorbilder und kulturelles Umfeld
Ein weiteres Problem ist der Mangel an weiblichen Vorbildern in MINT-Berufen. In technischen Branchen gibt es wenige Frauen in führenden Positionen, an denen sich junge Mädchen orientieren können. Ohne solche Vorbilder fällt es ihnen schwer, sich selbst in einem MINT-Beruf vorzustellen. Medien verstärken dieses Problem oft, indem sie technische Berufe männlich geprägt darstellen.
Auch im Studium oder im Berufsleben müssen sich Frauen in MINT-Feldern häufig gegen Vorurteile behaupten. Männlich dominierte Arbeitsumfelder können es ihnen schwer machen, sich zu integrieren. Zudem gelten technische Berufe oft als schwer mit Familie vereinbar, da es weniger Teilzeitmöglichkeiten gibt.
Diese Faktoren verstärken sich gegenseitig: Weil weniger Frauen in MINT arbeiten, fehlen sie als Mentorinnen für die nächste Generation. So bleibt die Unterrepräsentation von Frauen in technischen Berufen bestehen.
MINT-Förderung für Mädchen in Schulen
Um mehr Mädchen für MINT zu begeistern, gibt es in Österreich verschiedene Schulprogramme. Das MINT-Gütesiegel zeichnet Schulen aus, die innovativen und praxisnahen MINT-Unterricht anbieten, z. B. durch Experimente, Coding-Kurse oder Robotik-Projekte. Eine besondere Rolle spielt dabei das Konzept der MINT-Regionsschulen in Tirol. Diese Schulen sind Teil eines Netzwerks, das den naturwissenschaftlich-technischen Unterricht stärkt und regionale Kooperationen zwischen Bildungseinrichtungen, Unternehmen und Forschungseinrichtungen fördert. Ziel ist es, Schülerinnen und Schüler durch praxisnahe Projekte und Mentoring gezielt auf MINT-Berufe vorzubereiten.
Ein weiteres bekanntes Programm ist der Girls' Day, an dem Mädchen technische Berufe erkunden können. Schon im Kindergarten fördert der Girls' Day Mini spielerisch das Interesse an Naturwissenschaft und Technik.
Zudem helfen Role-Model-Programme wie „Frauen in die Technik“ (FiT) und Let's Empower Austria (LEA), indem erfolgreiche Frauen ihre Erfahrungen teilen.
MINT-Gütesiegel: https://www.mintschule.at/
MINT-Regionsschulen: https://www.mint-tirol.at/
FiT - Frauen in die Technik: https://www.ams.at/arbeitsuchende/karenz-und-wiedereinstieg/so-unterstuetzen-wir-ihren-wiedereinstieg/fit-frauen-in-handwerk-und-technik
LEA - Let's Empower Austria: https://letsempoweraustria.at/