Soll/Kann/Muss das Internet vergessen?

Abbildung der Weltkugel mit Verbindungen, welche Internetleitungen simulieren sollen innerhalb eines Verbotsschildesmagicvinceopenclipart.org/detail/147967/no-global-internet--pas-dinternet-global-by-magicvinceCC0 1.0

Seit einiger Zeit rückt die Diskussion über die Rechte einzelner im Internet wieder immer mehr in den Mittelpunkt. Dabei geht es einerseits darum, welche Daten man selbst und freiwillig für die Nutzung von Diensten freigeben sollte, als auch um das Recht auf das eigene Bild, das eigene Video, den eigenen Text oder ganz allgemein der eigenen Daten und Informationen über einen selbst. All dies kann und wird in der Regel den Weg ins Internet finden, und damit den meisten Menschen zur Verfügung stehen (gerechter Zugang zum Internet und Zensur wären da ein eigenes interessantes Thema). Da ist es dann nicht weiter verwunderlich, dass sich im Internet auch Informationen über einen selbst ansammeln, die man in der Form nicht unbedingt veröffentlicht haben möchte.

Doch was kann man dagegen machen? Man kann eine Anwaltskanzlei beauftragen, für die Entfernung der Daten zu sorgen. Und diese Anwaltskanzlei wird dann den Betreiber jener Seite, auf der die Information gefunden wurde, beauftragen, die Information wieder zu löschen. Zusätzlich ist es seit Mai 2014 in der EU noch möglich bei Google die Löschung der entsprechenden Links in den Suchergebnissen zu beantragen. Mehr ist nicht möglich.

Aber sind die Informationen damit wirklich verschwunden? Nein. Denn wie es so schön heißt: "Das Internet vergisst nie." Man kann zwar die Betreiber einer oder mehrerer Seiten dazu zwingen, die Informationen oder Daten wieder zu entfernen und Google dazu die entsprechenden Seiten aus den Suchergebnissen herauszufiltern, aber es gibt ja unzählige weitere Betreiber von Internetseiten und Google ist auch nicht die einzige Suchmaschine. Man müsste also alle Betreiber von Internetseiten und Suchmaschinen von Abchasien bis Zypern dazu auffordern, die entsprechenden Daten zu löschen und dazu wohl auch jeden einzelnen Einwohner unseres schönen Planeten, denn ansonsten könnten die Informationen ja wieder irgendwie, irgendwo, irgendwann auftauchen. Und das tun sie in den meisten Fällen auch. Beispiele dafür gibt es genug - von Internetseiten, die auf jene Seiten verlinken, die Googles Suchmaschinen ignorieren müssen, bis hin zu illegalen Tauschbörsen, die nachdem sie aus dem Verkehr gezogen wurden einfach wieder unter einer anderen Adresse auftauchen. Es ist also technisch nicht möglich, Daten und Informationen endgültig zu löschen. Und das war es auch nie und wird es auch nie sein können.

Ist das jetzt  gut oder schlecht, wenn die Daten und Informationen so gut wie nicht zu löschen sind? Da gibt es unterschiedliche Auffassungen: Denn neben jenen, die das Recht auf die eigenen Daten hervorheben, und die somit jeder Person auch die Möglichkeit geben wollen, auf diese Daten und Informationen Einfluss zu nehmen, gibt es auch jene, die diese Entwicklungen nicht uneingeschränkt positiv finden. So erregte Tim Berners-Lee, der Pionier des Internet im Dezember 2014 einiges Aufsehen, als er auf der Konferenz LeWeb in Paris dieses Recht auf Vergessenwerden kritisch hinterfragte. Er sei zwar dafür Daten mit falschen Informationen zu entfernen, aber wahre Informationen sollten vor dem Hintergrund der Meinungsfreiheit und der Geschichte unbeschränkt zugänglich sein. Aus seiner Sicht wären Regelungen, die Personen vor unsachgemäßer Verwendung ihrer Daten schützen, der bessere Weg. So wie es Arbeitgebern ja in der Regel auch nicht möglich ist, auf die Gesundheitsdaten ihrer Angestellten zuzugreifen.

Beides wird also nicht möglich sein: man kann nicht einerseits jeder_m das ausschließliche Recht auf die eigenen Daten und vor allem Informationen über einen zugestehen (was technisch ohnehin nie möglich sein wird) und andererseits einen unbeschränkten Zugang zu Informationen fordern. Es wird also wie bei vielen anderen wichtigen Entscheidungen darum gehen einen Kompromiss zu finden, der Einzelpersonen vor missbräuchlicher Verwendung ihrer Daten und der Verbreitung von falschen oder diskriminierenden Informationen schützt, dabei aber den Zugang zu Informationen nicht von vornherein stark beeinflusst (sei es durch Zensur oder durch finanzielle oder geografische Gründe).

Der Umgang mit Informationen wird uns also weiterhin durch die Geschichte begleiten - ich bin schon gespannt wie spätere Historiker_innen dann die Diskussionen unserer Zeit und den Umgang mit Daten und Informationen bewerten und interpretieren werden. Dies wird wohl auch nicht zuletzt davon abhängen, welche Informationen und Daten ihnen dann zur Verfügung stehen werden - was also in unserer Zeit nicht "vergessen" wurde.

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