KI macht Lernwege flexibel

Von statischen Lehrbüchern zu flexiblen Lernwegen
Lehrbücher begleiten den Unterricht seit Jahrhunderten. Sie bündeln Wissen, geben eine Struktur vor und bieten Sicherheit im Lernprozess. Doch sie haben auch Grenzen. Sie sind für eine breite Zielgruppe gedacht und können kaum auf die individuellen Bedürfnisse einzelner Schülerinnen und Schüler eingehen. Googles Forschungsprojekt Learn Your Way zeigt nun, wie sich generative KI nutzen lässt, um klassische Lehrmaterialien neu zu denken und den Lernenden mehr Vielfalt und Wahlmöglichkeiten zu geben.
Personalisierung mit KI
Das Konzept basiert darauf, bestehende Inhalte in verschiedene Formen zu überführen. Ein Kapitel aus einem Schulbuch kann etwa als Mindmap, in einer vereinfachten Textversion, als Hördatei oder mit interaktiven Quizzen aufbereitet werden. Generative KI erstellt diese Varianten automatisch und orientiert sich dabei an Erkenntnissen der Lernforschung. So können Schülerinnen und Schüler ihren bevorzugten Zugang wählen, sei es visuell, auditiv oder durch aktives Anwenden. Das Ziel ist ein selbstbestimmteres Lernen, das auf unterschiedlichen Wegen zum selben Kernwissen führt.
Unterstützung durch Lernwissenschaft
Die Forschungsarbeit stützt sich auf Theorien wie die Dual Coding Theory, die zeigt, dass Inhalte besser behalten werden, wenn sie gleichzeitig visuell und sprachlich vermittelt werden. Auch die Cognitive Load Theory spielt eine Rolle, die erklärt, wie das Arbeitsgedächtnis durch klar strukturierte und angepasste Inhalte entlastet wird. KI hilft dabei, komplexe Themen in kleinere, leichter verdauliche Einheiten zu zerlegen, ohne die fachliche Tiefe zu verlieren.
Chancen für die Unterrichtspraxis
Für den Unterricht eröffnet dieser Ansatz neue Möglichkeiten. Lehrkräfte könnten Lernpakete erstellen, die durch KI flexibel angereichert werden. Ein historisches Thema ließe sich zusätzlich als Zeitleiste darstellen, ein naturwissenschaftliches Kapitel als Audioerklärung oder ein literarischer Text in einer vereinfachten Fassung für leseschwächere Schülerinnen und Schüler. Damit wird Differenzierung im Klassenzimmer deutlich leichter umsetzbar.
Die Rolle der Lehrperson
Gerade weil die Technik so viel verspricht, bleibt die Rolle der Lehrperson entscheidend. KI kann Varianten generieren, doch die pädagogische Einbettung, die Auswahl und die Bewertung der Materialien liegen weiterhin in den Händen der Lehrkraft. Sie sorgt dafür, dass die Inhalte zum Lehrplan passen, dass Qualität und Genauigkeit stimmen und dass der Einsatz didaktisch sinnvoll ist. Lehrpersonen werden damit zu Gestaltern, die die Möglichkeiten der KI gezielt einsetzen, ohne ihre pädagogische Verantwortung aus der Hand zu geben.
Kritische Fragen nicht vergessen
Neben den Chancen müssen auch Herausforderungen im Blick bleiben. Generative KI kann Fehler machen oder Inhalte verzerren. Sie arbeitet mit Daten, die nicht immer transparent nachvollziehbar sind. Lehrkräfte müssen daher prüfen, ob die erstellten Varianten korrekt und für ihre Klassen geeignet sind. Auch Fragen des Datenschutzes und der Zugänglichkeit spielen eine Rolle, wenn solche Systeme in Schulen genutzt werden sollen.
Ein Blick in die Zukunft
Learn Your Way macht deutlich, dass Lehrbücher in Zukunft nicht verschwinden, sondern sich weiterentwickeln. Sie werden zu flexiblen Wissensplattformen, die von KI unterstützt werden und individuelle Lernwege eröffnen. Für österreichische Lehrpersonen bietet sich hier die Chance, Unterricht noch stärker an den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler auszurichten und gleichzeitig die eigene Rolle als pädagogische Lotsen zu stärken.
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