Neues Leitbild für Lehrkräfte: Anspruch, Anerkennung – und die Frage der Machbarkeit

Florian Wanner -
Berufsbild Lehrer Bild von https://pixabay.com/de/users/sweetlouise-3967705 pixabay.com

Vision statt Ist-Zustand

Mit dem erstmals ausformulierten „Berufsbild für Lehrerinnen und Lehrer“ legt das Bildungsministerium 2024/25 einen Orientierungsrahmen für die Zukunft des Lehrer:innenberufs vor. Das Dokument versteht sich ausdrücklich als Soll-Zustand und positioniert den Beruf in einer „immer rascher wandelnden Gesellschaft“. Es soll alle Reform­schritte in Ausbildung, Rekrutierung und Personalentwicklung leiten.

Vielschichtige Rollen klar benannt

Positiv fällt auf, das Leitbild macht sichtbar, was Lehrkräfte längst leisten. Neben Fach- und Didaktikkompetenz beschreibt es Querschnittsthemen wie Diversität & Inklusion sowie KI-gestützte Medienbildung als Pflichtbestandteile künftiger Curricula. Damit würdigt es die Realität moderner Schulpraxis und gibt Hochschulen eine klare Agenda.

Gerade aktive Lehrer:innen wissen jedoch, dass das Aufgabenspektrum bereits heute weit über den Unterricht hinausgeht. Sozialarbeit, Konflikt­moderation, Integrationsarbeit, Gewalt­prävention, Demokratie- und Wertebildung – oft ohne zusätzliche Ressourcen. Das Leitbild erkennt diese Breite zwar an, riskiert aber, ein Bild der „Super-Lehrperson“ zu zeichnen, das im Schulalltag schwer erreichbar ist. Die implizite Botschaft lautet: Ihr macht das schon. Ohne klare Abgrenzung, welche Aufgaben durch multiprofessionelle Teams oder externe Dienste übernommen werden sollen, droht eine Überfrachtung des Berufs.

Das Ministerium hat 2024 ein Entlastungspaket mit zehn Maßnahmen vorgelegt, um Lehrkräfte von Verwaltung und Organisation zu befreien – etwa durch pädagogisch-administrative Fachkräfte und digitale Prozess­vereinfachungen. Ziel ist, dass sich Lehrer:innen „wieder stärker auf die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern konzentrieren können. Ob diese Unterstützung den hohen Erwartungen des Leitbilds entspricht, wird sich erst in der Praxis zeigen. Entscheidend bleibt, dass Entlastung und Fortbildung parallel ausgebaut werden.

Balance von Anspruch und Wirklichkeit

Das neue Berufsbild stärkt das Selbstbild und die gesellschaftliche Anerkennung der Lehrkräfte. Zugleich setzt es die Messlatte sehr hoch. Damit die Vision nicht zur Quelle chronischer Überforderung wird, braucht es realistische Prioritäten, verbindliche Ressourcen und eine faire Aufgaben­verteilung im Schulteam. Wenn Anspruch und Rahmenbedingungen in ein gesundes Gleichgewicht kommen, kann das Leitbild zu dem werden, was es sein will, ein Kompass für einen attraktiven, wirksamen und menschlich erfüllbaren Lehrer:innenberuf.

BMB - Berufsbild Lehrerinnen und Lehrer

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