#KeinFilterFürHass – digitale Zivilcourage in der Schule stärken

Digitale Verführung: Was Adolescence über Online-Radikalisierung zeigt
Die neue Netflix-Serie Adolescence führt eindrucksvoll vor Augen, wie ein 13-jähriger Schüler Schritt für Schritt online in extreme Denkmuster abgleiten kann. Jamie, die Hauptfigur, wird im Netz mit radikalen Ideologien, toxischen Männlichkeitsbildern, Frauenhass und Gewaltfantasien konfrontiert.
Was zunächst unscheinbar in sozialen Netzwerken beginnt, endet in einer realen Tragödie – ein drastisches Beispiel, das verdeutlicht: Jugendliche können durch digitale Verführung unbemerkt radikalisiert werden. Kinder, die nach außen völlig „normal“ wirken, können innerlich bereits von extremistischer Propaganda beeinflusst sein. Die Serie ist ein Weckruf: „Es könnte auch dein:e Schüler:in sein“, lautet die Botschaft.
Quelle: Why Netflix's Adolescence is a wake-up call to society By Latha Srinivasan
Wie kann so etwas passieren? Extremistische Akteur:innen nutzen soziale Medien gezielt, um junge Menschen anzuwerben. Oft tarnen sie ihre Botschaften in vermeintlich harmlosen, unterhaltsamen Inhalten. Saferinternet.at warnt etwa, dass auf TikTok „in vermeintlich harmlosen, oft sogar unterhaltsamen Videos im typischen TikTok-Stil“ extremistischer Inhalt verbreitet und Hass geschürt wird. Bemerkt der Empfehlungs-Algorithmus ein Interesse an solchem Material, erscheinen „schleichend weitere, immer extremere Inhalte“ im Feed. Dieser Rabbit-Hole-Effekt – ein Abrutschen in einen Kaninchenbau voller einseitiger Inhalte – führt dazu, dass Jugendliche zunehmend in einer digitalen Echokammer gefangen sind. Algorithmen filtern die Informationsflut und schaffen ein oft unsichtbares, eingeschränktes Wahrnehmungsfeld – eine persönliche Filterblase, in der vor allem die eigenen Überzeugungen bestätigt werden. Abweichende Meinungen bleiben dagegen ausgeblendet. So werden Neugier oder Unzufriedenheit geschickt in ein geschlossenes Weltbild gelenkt.
Hinzu kommt, dass Online-Propaganda geschickt an jugendliche Interessen anknüpft. Eine Broschüre von Jugendschutz.net zeigt zum Beispiel, wie islamistische Rekrutierer Symbole aus Popkultur, Videospielen oder Hollywoodfilmen nutzen, um Jugendliche zu ködern. Extremistische Inhalte wirken dadurch „cool“ und normal, während ihre gefährliche Ideologie verborgen im Hintergrund wirkt.
Prävention in der Schule: Digitale Grundbildung als Schutzfaktor
Schulen stehen vor der Herausforderung, ihre Schüler:innen gegen diese digitale Radikalisierungsfalle zu wappnen. Besonders im neuen Pflichtfach Digitale Grundbildung können Lehrkräfte präventiv ansetzen. Indem sie die Lebenswelt der Jugendlichen aktiv im Unterricht aufgreifen, können sie Bewusstsein für Radikalisierungsmechanismen schaffen und Gegenstrategien vermitteln. Zentral ist dabei, bestimmte Kompetenzen gezielt zu fördern:
Kritisches Denken: Online-Inhalte hinterfragen und extremistisches Gedankengut als solches erkennen. Schüler:innen sollen lernen, Narrative von Hassgruppen zu durchschauen und Verschwörungserzählungen zu entlarven.
Quellenbewertung & Faktenprüfung: Die Vertrauenswürdigkeit von Websites, Videos und Posts einschätzen können. Dies umfasst das Überprüfen von Informationen und das Erkennen von Fake News. (Beispiel: Im Workshop „Fake News, we can!“erstellen Jugendliche selbst Falschmeldungen und lernen dabei, wie man Quellen prüft.)
Algorithmen & Filterblasen verstehen: Nachvollziehen, wie Social-Media-Algorithmen funktionieren und wie sie zu Filterblasen führen können. Wenn Schüler:innen begreifen, warum ihnen manche Inhalte bevorzugt angezeigt werden, können sie bewusster gegensteuern – etwa indem sie vielfältigen Quellen folgen und einseitige Feeds hinterfragen.
Digitale Zivilcourage: Mutig und aktiv gegen Hass und Ausgrenzung im Netz auftreten. Das bedeutet, Hetze nicht unwidersprochen stehen zu lassen und Betroffene zu unterstützen. (Beispiel: Im Workshop „Human Rights 2.0“ üben Jugendliche, was respektvoller Umgang online bedeutet und was digitale Zivilcourage in der Praxis heißt.)
Lehrpersonen können diese Kompetenzen im Unterricht durch Projekte, Diskussionen und praktische Übungen stärken. Etwa könnten Szenen aus Adolescence oder reale Vorfälle aus den Nachrichten im Klassenverband analysiert werden, um die Entstehung von Online-Radikalisierung greifbar zu machen. Wichtig ist, dass offen über die Online-Erlebnisse der Jugendlichen gesprochen wird – ohne Vorurteile, aber mit klaren Grenzen gegenüber Hass.
Saferinternet.at und das Bildungsministerium bieten bereits vielfältige Materialien und Workshops für Schulen an, um Extremismusprävention umzusetzen. Diese unterstützen Pädagog:innen dabei, Themen wie Hass im Netz, Filterblasen oder Online-Propaganda altersgerecht zu behandeln und Handlungstipps an die Hand zu bekommen. Lehrkräfte sollten diese Angebote nutzen und auch selbst am Puls der Zeit bleiben: Welche Plattformen sind gerade in? Welche Trends beschäftigen meine Klasse? Nur wer die digitale Lebenswelt der Jugendlichen kennt, kann auf Risiken rechtzeitig reagieren.
Stärke zeigen gegen digitale Verführung
Extremismus in sozialen Medien ist eine reale Gefahr, der wir als Gesellschaft entschlossen entgegentreten müssen – und Schulen spielen dabei eine Schlüsselrolle. Jede Lehrperson kann dazu beitragen, dass Jugendliche gar nicht erst auf radikale Verführer hereinfallen. Indem wir kritisches Denken fördern, Empathie und demokratische Werte stärken und den Dialog über digitale Erfahrungen suchen, machen wir unsere Schülerinnen fit und resilient gegen Hass und Hetze im Netz.
Die Botschaft von Adolescence ist klar: Wegschauen ist keine Option. Unsere Aufgabe als Pädagoginnen ist es, hinzuschauen, aufzuklären und digitale Zivilcourage vorzuleben, damit die Schule ein Ort der Prävention und der Hoffnung bleibt.