Flip den Unterricht: Wie digitale Tools Lernzeit in Begegnungszeit verwandeln

Florian Wanner -
Lernen Image by <a href="https://pixabay.com/users/stocksnap-894430/?utm_source=link-attribution&utm_medium=referral&utm_campaign=image&utm_content=2557399">StockSnap</a> from <a href="https://pixabay.com//?utm_source=link-attribution&utm_medium=referral&utm_cam pexels.com

Ich erinnere mich noch gut an die ersten Versuche, in der ich das Konzept des Flipped Classroom konsequent ausprobiert habe. Vorher bestand meine Vorbereitung darin, den nächsten Input zu strukturieren, Präsentationen vorzubereiten und ich hatte doch das Gefühl, in der Stunde hauptsächlich frontal zu reden. Heute erstelle ich kurze Videos und lade diese in Microsoft Teams hoch, lege im Kursnotizbuch von OneNote ein Arbeitsblatt an und erstelle für die Schülerinnen und Schülern eine H5P Aufgabe zur Selbstkontrolle in TSNMoodle. Wenn wir uns dann sehen, kennen sie die Grundlagen bereits. Wir können direkt diskutieren, experimentieren, Fehler machen und gemeinsam korrigieren. Plötzlich ist Zeit frei für echte Begegnung, für individuelles Coaching, für die berühmten „Aha!“-Momente, die im klassischen Setting oft untergehen.

Der Clou liegt im Umdrehen der Lernphasen. Das, was früher Hausübung war, passiert jetzt gemeinsam, das, was früher Frontalvortrag war, erledigen die Lernenden selbstbestimmt daheim. Das ist nicht nur effizient, sondern auch inklusiv. Ein Video lässt sich pausieren, zurückspulen oder mit Untertiteln versehen. OneNote besitzt einen Immersive Reader, der Text vorliest, Silben trennt und die Zeile hervorhebt – ein Segen für Kinder mit Leseschwäche oder Aufmerksamkeitsproblemen. Und weil seit der Geräteinitiative „Digitales Lernen“ fast alle eine eigene Schulgeräte haben, muss niemand mehr fragen, ob er oder sie überhaupt Zugriff hat.

Eine großartige Erfahrung machte ich mit einem Projekt im Fach Geografie und wirtschaftliche Bildung zur Landwirtschaft in aller Welt. Die Schüler:innen sahen sich vorab ein kurzes Video zu verschiedenen globalen Landwirtschaftsformen an – von tropischer Plantagenwirtschaft über industrielle Agrarbetriebe bis hin zur Subsistenzwirtschaft in Afrika. Im vorbereiteten OneNote-Abschnitt hielten sie ihre Fragen und Auffälligkeiten fest und recherchierten unterstütz vom Research Coach, einem der Lernbeschleuniger von Microsoft. Im Unterricht arbeiteten die Gruppen an digitalen Whiteboards in Canva, um zentrale Merkmale, Vor- und Nachteile der jeweiligen Formen grafisch darzustellen. Ich begleitete sie, stellte Rückfragen, dokumentierte die Ergebnisse und teilte sie direkt im Kursnotizbuch. Daraus ergaben sich differenzierte Diskussionen, mehr Tiefgang beim Denken und ein deutlich gestärktes Verständnis für globale Zusammenhänge.

Im Deutschunterricht erinnere ich mich gerne an das Kapitel „Märchen erfinden“. Die Schüler:innen starteten als Wochenhausübung mit einem kurzen Podcast, der die wichtigsten Merkmale von Märchen erklärte – von typischen Figuren bis zum magischen Dreierschema. So hatten alle dieselbe Grundlage, unabhängig vom individuellen Lerntempo. In TSNMoodle fanden sie anschließend eine interaktive H5P-Aufgabe mit Formulierungshilfen, typischen Satzanfänge, Redewendungen und einem Baukasten für die Struktur. Viele nutzten diese Unterstützung, um ihre ersten Entwürfe gezielt zu überarbeiten. In der Präsenzphase arbeiteten wir dann am Feinschliff – manche vertonten ihr Märchen als Hörspiel mit der App Garage Band am iPad, andere setzten es in ein digitales Bilderbuch mit Canva um. Das Projekt zeigte eindrucksvoll, wie digitale Medien Schreibprozesse differenziert begleiten und kreative Ausdrucksformen fördern können, ganz ohne Leistungsdruck.

Kritische Stimmen fragen oft, ob „Flippen“ nicht einfach nur mehr Arbeit für die Lehrkraft bedeutet. Ja, am Anfang muss man investieren. Ein Video skripten, aufnehmen, schneiden. Eine Aufgabenlogik in TSNMoodle durchdenken. Aber die Ressourcen wachsen und lassen sich recyceln. Durch Zusammenarbeit mit den Kolleg:innen entsteht ein gemeinsamer Pool, der den Aufwand verteilt und immer inklusiver wird, weil jeder seine Barrieren im Blick hat. Auch KI kann beim Erstellen und Differenzieren der Aufgaben stark unterstützen.

Wichtig ist, klein zu starten. Eine Stunde pro Woche reicht zum Einstieg. Digitale Inhalte sollten immer in mehreren Zugängen vorliegen, etwa als Video, Transkript und PDF und kurze Quizfragen vorab sowie klare Rollen in der Präsenzphase sorgen für Orientierung und aktive Beteiligung.

Die Methode des Flipped Classrooms zwingt mich, Lernprozesse durch die Augen meiner Schülerinnen und Schüler zu denken und dabei erkenne ich immer wieder Barrieren, die mir vorher gar nicht bewusst waren. Digitale Werkzeuge wie Teams, OneNote und TSNMoodle sind dabei keine Spielerei, sondern Türöffner. Sie geben uns die Flexibilität, Inhalte individuell zugänglich zu machen und Präsenzzeit als echten Lernraum zu nutzen. Für mich ist das Flipped Classroom-Modell deshalb nicht einfach ein Trend, sondern ein Schritt hin zu einer Schule, in der Aktivität, Selbstbestimmung und Selbstorganisiertes Lernen Hand in Hand gehen.

 

Flipped Classroom - pädagogischer Hintergrund

Canva

Microsoft Lernbeschleuniger

TSNMoodle

Aufgaben in MS Teams

KI Tools von Fobizz

Redaktionsbereiche / Schlagworte: